Musterfeststellungsklage

Die Schutzgemeinschaft für Bankkunden e.V. hat am 01.11.2018 Musterfeststellungsklagen gegen die Volkswagen-Bank GmbH und gegen die Mercedes-Benz Bank AG wegen nicht ordnungsgemäßen Widerrufsinformationen in Autokreditverträgen eingereicht.

Die Schutzgemeinschaft für Bankkunden e.V., vertreten durch Rechtsanwalt Wolfgang Benedikt-Jansen aus der Kanzlei Benedikt-Jansen, Dorst & Kar (Frankenberg) und Rechtsanwalt Dr. Timo Gansel aus der Kanzlei GanselRechtsanwälte (Berlin), hat am 01.11.2018 Musterfeststellungsklagen gegen die Volkswagen-Bank GmbH sowie gegen die Mercedes-Benz Bank AG wegen nicht ordnungsgemäßer Widerrufsinformationen in Autokreditverträgen eingereicht.

Feststellung des unbefristeten Widerrufsrechts

Ziel der Klage ist es, feststellen zu lassen, dass Verbraucherkreditverträge zur Finanzierung von Fahrzeugkäufen, die ab dem 13.06.2014 mit der Volkswagen-Bank GmbH oder aber der Mercedes-Benz Bank AG abgeschlossen wurden, „ewig“ widerruflich sind (unbefristetes Widerrufsrecht), weil die Pflichtangaben in ihren Widerrufsinformationen nicht in der gesetzlich gebotenen Weise enthalten sind. Betroffen sein können auch Kunden der Zweigniederlassungen der Volkswagen-Bank GmbH Audi Bank, SEAT Bank, ŠKODA Bank oder AutoEuropa Bank.

Für von VW oder Mercedes geschädigte Verbraucher würde dies bedeuten, dass sie ihren damaligen Darlehensvertrag noch heute auflösen können. Dadurch entsteht eine erhebliche finanzielle Entlastung. Dabei geht es nicht ausschließlich um Schädigungen im Zuge des Diesel-Skandals. Vielmehr soll allen Verbrauchern, die einen nachteiligen Darlehensvertrag abgeschlossen haben, geholfen werden.

Die Klage gegen die Volkswagen-Bank GmbH wurde beim Oberlandesgericht Braunschweig eingereicht, während die Einreichung der Musterfeststellungsklage gegen die Mercedes-Benz Bank AG beim Oberlandesgericht Stuttgart erfolgte.

Gesetz über die Musterfeststellungsklage in Kraft
Zum 01.11.2018 ist das „Gesetz zur Einführung einer zivilprozessualen Musterfeststellungsklage“ in Kraft getreten. Erstmals ist damit eine umfassende und weitreichende „Massen-Verbandsklage“ im deutschen Zivilrecht möglich.

Ausgangspunkt waren die Empfehlung 2013/396/EU vom 11.06.2013 der Europäischen Kommission für „Gemeinsame Grundsätze für kollektive Unterlassungs- und Schadensersatzverfahren bei Verletzung von durch Unionsrecht garantierten Rechten“ sowie der im September 2015 aufgekommene VW-Abgasskandal (Diesel-Skandal).

Am 12.07.2018 hat der deutsche Bundestag daraufhin das Gesetz zur Einführung der Musterfeststellungsklage verabschiedet. Nunmehr können eingetragenen Verbraucherschutzverbände effektiv gegen Unternehmen vorgehen, die unethische bzw. rechtswidrige Geschäftspraktiken ausüben.

Mangelhafte Widerrufsbelehrungen bei VW und Mercedes
Nach der Auffassung der Schutzgemeinschaft sind in den Verträgen der Volkswagen-Bank GmbH bzw. der Mercedes-Benz Bank AG nicht alle für den Beginn der Widerrufsfrist erforderlichen Pflichtangaben in der gebotenen Weise enthalten. Zu den in der Musterfeststellungsklage aufgeführten formellen Mängeln der Widerrufsbelehrungen zählen die nicht ordnungsgemäße Angabe der Frist für die Erklärung des Widerrufs und der fehlende Hinweis auf das Kündigungsrecht des Kreditnehmers. Außerdem werden bei den Rechtsfolgen des Widerrufs falsche Angaben zum Wertersatz gemacht.

Es kommt insgesamt darauf an, ob Sie als Verbraucher von der „Auto-Bank“ ausreichend über Ihr Widerrufsrecht und dessen Folgen informiert wurden. Diese Informationen sind elementarer Bestandteil eines funktionierenden Verbraucherschutzes und müssen deshalb zwingend beachtet werden. Intransparente oder gar unvollständige Informationen seitens der Banken benachteiligen Verbraucher immens.

Prozessablauf der Musterfeststellungsklage
Die Musterfeststellungsklage kann erstinstanzlich nur bei einem Oberlandesgericht (OLG) eingereicht werden. Einreichen kann die Klage gem. § 606 Abs. 1 ZPO n.F. eine qualifizierte Einrichtung i.S.d. § 4 UKlaG. Dies sind insbesondere Verbraucherschutzverbände. Ein klageberechtigter Verband muss dabei seit mindestens vier Jahren in der Liste nach § 4 UKlaG oder in das Verzeichnis der Europäischen Kommission nach Artikel 4 der Richtlinie 2009/22/EG eingetragen sein und mindestens 350 Mitglieder bzw. mehr als 10 Untergliederungen haben.

Das Klageziel ist auf die Feststellung des Vorliegens oder Nichtvorliegens von tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen für das Bestehen oder Nichtbestehen von Ansprüchen oder Rechtsverhältnissen (Feststellungsziele) zwischen Verbrauchern und einem Unternehmer gerichtet. Was zunächst kompliziert klingt, ist letztendlich ganz einfach: Mit der Klage soll das OLG feststellen, ob ein Konzern die Verbraucher geschädigt hat und ob diese Schadensersatz fordern können.

Für die Einreichung einer Klage wird zunächst eine Gruppe von mindestens zehn geschädigten Verbrauchern benötigt, deren Schaden vergleichbar ist, § 606 Abs. 2 ZPO. Wird die Klage zugelassen, so muss das Gericht die öffentliche Bekanntmachung veranlassen. Im nächsten Schritt können sich betroffene Verbraucher in das sogenannte Klageregister eintragen. Dieses wird vom Bundesamt für Justiz geführt. Sofern sich mindestens 50 Geschädigte innerhalb von zwei Monaten eingetragen haben, ist die Klage zulässig.

Ist die Musterfeststellungsklage erfolgreich, können die Verbraucher im nächsten Schritt selbstständig den Rechtsstreit zu Ende führen, indem sie auf Schadensersatz klagen. Alternativ kann bereits im Musterfeststellungsprozess ein Vergleich zwischen Verbrauchern und Unternehmen geschlossen werden. Wichtig dabei ist, dass sowohl das Urteil als auch der Vergleich nur Bindungswirkung für diejenigen Verbraucher entfalten, die auch an der Musterfeststellungsklage beteiligt waren. Ein bloßes Abwarten des Prozesses und Erheben einer späteren Forderung unter Verweis auf das Urteil ist nicht möglich und nicht empfehlenswert.

Rechtliche Folgen der Musterfeststellungsklage gegen VW und Mercedes
Stellt das Oberlandesgericht Braunschweig im Musterfeststellungsverfahren fest, dass ein Widerruf seitens der Verbraucher nicht verfristet ist, kann jeder Verbraucher, der einen Kreditvertrag mit den gerügten Mängeln bei den Widerrufsinformationen abgeschlossen hat, seinen Vertrag immer noch, d.h. nach Ablauf der gesetzlichen Widerrufsfrist von 14 Tagen wirksam widerrufen und die Rückgabe des Fahrzeuges beanspruchen. Aber Achtung: Endgültige Bindungswirkung entfaltet das Urteil nur für diejenigen, die sich am Musterfeststellungsprozess beteiligt haben. Andere Verbraucher müssen abwarten, ob sich das zuständige Gericht an dem Musterfeststellungsurteil orientieren wird oder seiner eigenen Auffassung folgt.

Unerheblich bei dem Widerruf ist, ob es sich um einen Neu- oder Gebrauchtwagen handelt, ob es ein „Diesel“ oder ein „Benziner“ ist und wie viele Kilometer das Auto gefahren wurde.

Die Musterfeststellungsklage muss nicht mit einem Musterfeststellungsurteil enden. Das Gesetz sieht auch einen Vergleich vor, sodass es möglich ist, dass das Verfahren ein schnelles Ende finden kann. Unterbreitet die jeweilige Konzern-Bank ein Vergleichsangebot, dann prüft das Gericht, ob dies angemessen ist und die Verbraucher nicht etwa unangemessen benachteiligt.

Aussichten nach der Musterfeststellungsklage
Der Fahrzeughalter gibt im Anschluss an den erfolgreichen Widerruf das Auto zurück, bekommt seine bisher gezahlten Raten und eine etwaige Anzahlung wieder. Ein gesondertes Feststellungziel der Klage ist es zudem, dass der Verbraucher keinen Wertersatz für den Wertverlust des Fahrzeugs leisten muss.

Dadurch wird der Verbraucher finanziell erheblich entlastet. Gerade für Fahrer eines „Diesels“ ist eine Rückgabe unter dem Aspekt drohender Fahrverbote interessant. Aber auch ein „Benziner“ kann unter Umständen durch steigende Spritpreise lästig geworden sein. Auch dieser kann dank eines Widerrufs zurückgegeben werden.

Was muss ich als Betroffener tun?
Sobald unsere Musterfeststellungsklage im Klageregister des Bundesamtes für Justiz veröffentlicht ist, können sich Fahrzeughalter, die ab dem 13.06.2014 ihren Autokauf bei der Volkswagen-Bank GmbH bzw. bei der Mercedes-Benz Bank AG finanziert haben, zu dieser Klage registrieren lassen. Im Jahre 2017 wurden schätzungsweise 64% der privaten Neuwagen und 44% der privaten Gebrauchtwagen durch einen Autokredit finanziert.

Für die Registrierung sind wenige Angaben erforderlich. Die Registrierung ist kostenlos und eröffnet Ihnen die große Chance, von dieser Musterfeststellungsklage zu profitieren. Sowohl die Schutzgemeinschaft für Bankkunden e.V. mit ihrem Vertrauensanwalt als auch die Kanzlei GanselRechtsanwälte sind Ihnen bei der Klageregistrierung und im Erfolgsfall ggf. bei der Durchsetzung des Fahrzeugrückgabeanspruchs behilflich.

Wer hinter der Musterfeststellungsklage gegen VW und Mercedes steckt
Die Schutzgemeinschaft für Bankkunden e.V. ist ein Verbraucherschutzverband, der am 18.09.1999 mit dem Ziel gegründet wurde, unredliche Verhaltensweisen von Finanzdienstleistern zu bekämpfen. Seit dem 16.08.2004 ist sie verbandsklagebefugt und hat seither hunderte von Verbandsklagen vornehmlich gegen Bankinstitute geführt. Zu ihren größten Erfolgen zählen die Feststellung der Unwirksamkeit von Bearbeitungsentgelten in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die Durchsetzung des bankenrechtlichen Aufrechnungsverbots sowie die Feststellung der Unwirksamkeit der Zinscap-Klausel der Apo-Bank durch den BGH. Jörg Schädtler ist erster Vorsitzender der Schutzgemeinschaft.

Rechtsanwalt Wolfgang Benedikt-Jansen (Frankenberg/Eder) ist Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht und Mediator. Seit 2003 ist er der Vertrauensanwalt der Schutzgemeinschaft für Bankkunden e.V. Für die Schutzgemeinschaft hat er eine Vielzahl von verbraucherfreundlichen Grundsatzentscheidungen auf dem Gebiet des Bank- und Kapitalmarktrechts erstritten.

Die Kanzlei von Rechtsanwalt Dr. Timo Gansel (Berlin) zählt mit ihren zehn Fachanwälten für Bank- und Kapitalmarktrecht zu den führenden Kanzleien in Deutschland bei der Durchsetzung des Widerrufs von Immobiliendarlehensverträgen gegenüber Banken, Sparkassen und Versicherungen wegen fehlerhafter Widerrufsinformationen. Im Dieselabgasskandal vertritt die Kanzlei über zehntausend geschädigte Fahrzeughalter verschiedener Hersteller. Dazu zählen speziell auch Fahrzeughalter, die den Kauf ihres Autos über eine „Autobank“ finanziert haben.