Der Widerrufsjoker bei Autokrediten: BGH schränkt „ewiges Widerrufsrecht“ ein
Haben Sie vor Jahren einen Autokredit oder einen anderen Verbraucherkredit abgeschlossen und hoffen, diesen aufgrund von Fehlern im Vertrag noch heute widerrufen zu können? Der sogenannte „Widerrufsjoker“ war lange ein Hoffnungsschimmer für viele Verbraucher. Das Versprechen: Ist die Widerrufsinformation der Bank fehlerhaft, beginnt die 14-tägige Widerrufsfrist nie zu laufen, was einen Widerruf auch nach Jahren ermöglichen soll.
Doch die Luft für diesen Trumpf ist dünner geworden. Eine wegweisende Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 11. Februar 2025 (Az. XI ZR 320/22) hat viele der bisher als Fehler geltenden Punkte als unerheblich eingestuft und damit die Möglichkeiten für einen späten Widerruf erheblich eingeschränkt.
Wie funktionierte der „Widerrufsjoker“?
Bei Verbraucherdarlehen haben Sie ein gesetzliches Widerrufsrecht von 14 Tagen. Entscheidend ist: Die Frist beginnt erst zu laufen, nachdem Sie von Ihrer Bank alle gesetzlich vorgeschriebenen Pflichtangaben sowie eine klare Widerrufsinformation erhalten haben. Waren diese fehlerhaft, konnte die Frist potenziell nie zu laufen beginnen – das „ewige Widerrufsrecht“ entstand.
Welche Fehler sind laut BGH (k)ein Grund mehr für einen Widerruf?
Der BGH hat in seiner Entscheidung klargestellt, dass nicht jeder formale Fehler ausreicht, um die Widerrufsfrist zu hemmen. Viele früher als vielversprechend angesehene Ansatzpunkte sind damit hinfällig geworden:
- Die „Kaskadenverweisung“: Ein häufiger Kritikpunkt war der Verweis auf einen Paragrafen (§ 492 Abs. 2 BGB) anstatt einer Auflistung der Pflichtangaben im Vertrag selbst. Für Laien war dies unübersichtlich. Der BGH entschied nun: Dieser formale Fehler allein reicht nicht aus, um den Fristbeginn zu verhindern, da ein Verbraucher dadurch nicht relevant in die Irre geführt werde. Dieser Hebel für den Widerruf ist damit praktisch wirkungslos.
- Unklare Angaben zu verbundenen Versicherungen: Oft werden Kredite mit einer Restschuld- (RSV) oder GAP-Versicherung verkauft. Auch wenn hier im Vertrag Ungenauigkeiten auftraten (z. B. eine nicht abgeschlossene Versicherung wurde erwähnt), sieht der BGH dies als unschädlich an. Ein aufmerksamer Verbraucher wisse selbst, welche Verträge er unterschrieben hat und könne irrelevante Informationen als solche erkennen.
- Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung: Auch bei der Information über die Kosten einer vorzeitigen Kreditrückzahlung stellt der BGH keine hohen Anforderungen mehr. Es sei ausreichend, wenn die maximale Höhe der Entschädigung klar genannt wird. Da diese bei Verbraucherkrediten gesetzlich auf 1 % bzw. 0,5 % des zurückgezahlten Betrags begrenzt ist, genügt die Nennung dieser Obergrenze in der Regel, auch wenn die genaue Berechnungsmethode kompliziert bleibt.
- Weitere Pflichtangaben (z.B. Verzugszinsen): Selbst ein nachweislich fehlerhafter Ausweis der Verzugszinsen im Vertrag wurde vom BGH als nicht schwerwiegend genug eingestuft, um den Start der Widerrufsfrist zu blockieren.
Fazit: Was bedeutet das Urteil für Verbraucher?
Die Entscheidung des BGH ist ein klares Signal: Die Hürden für einen erfolgreichen Widerruf Jahre nach Vertragsschluss sind massiv gestiegen. Gerichte neigen nun dazu, formale und kleinere Fehler, die einen aufmerksamen Verbraucher nicht wirklich täuschen, als unerheblich anzusehen.
Als Schutzgemeinschaft raten wir daher:
- Seien Sie realistisch: Der „Widerrufsjoker“ bei Krediten ist kein Selbstläufer mehr. Verlassen Sie sich nicht auf pauschale Aussagen in Internetforen oder älteren Artikeln, da diese durch die neue Rechtsprechung überholt sind.
- Prüfung kann sich dennoch lohnen: Das Urteil bedeutet nicht das generelle Ende des Widerrufsrechts. Es gibt nach wie vor Konstellationen, in denen Verträge schwerwiegende und damit relevante Fehler aufweisen können, die einen Widerruf rechtfertigen.
- Einzelfallentscheidung: Jeder Vertrag muss im Detail geprüft werden. Wenn Sie vermuten, dass Ihr Darlehensvertrag schwerwiegende Fehler enthalten könnte, kann eine anwaltliche Erstberatung Klarheit bringen, ob eine Prüfung der individuellen Erfolgsaussichten sinnvoll ist.
