Kollektiver Rechtsschutz: Wegweisende BGH-Entscheidung

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in einem Urteil vom 11. September 2024 entschieden, dass Verbraucherverbände nicht einfach Rückzahlungen für betroffene Verbraucher einklagen können, selbst wenn unlautere Geschäftspraktiken vorliegen. Im konkreten Fall klagte der Bundesverband der Verbraucherzentralen (vzbv) gegen den Veranstalter des Airbeat One Festivals wegen einer mutmaßlich unrechtmäßig erhobenen Gebühr von 2,50 Euro.

Kollektiver Rechtsschutz: Wegweisende BGH-Entscheidung
-    BGH, Urt. v. 11.09.2024, Az.: I ZR 168/23
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in einem Urteil vom 11. September 2024 entschieden, dass Verbraucherverbände nicht einfach Rückzahlungen für betroffene Verbraucher einklagen können, selbst wenn unlautere Geschäftspraktiken vorliegen. Im konkreten Fall klagte der Bundesverband der Verbraucherzentralen (vzbv) gegen den Veranstalter des Airbeat One Festivals wegen einer mutmaßlich unrechtmäßig erhobenen Gebühr von 2,50 Euro.
Die Praxis, eine Payout Fee zu erheben, wurde als rechtswidrig eingestuft, da die Rückerstattung des Restguthabens eine vertragliche Verpflichtung darstellt und nicht als zusätzliche Leistung vergütet werden kann. Obwohl das Oberlandesgericht Rostock feststellte, dass die Gebühr in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) unzulässig war, bestätigte der BGH, dass der vzbv keinen Anspruch auf Rückzahlung an die Kunden geltend machen könne.
-    OLG Rostock, Urt. v. 15.11.2023, Az.: 2 U 15/21
Diese Entscheidung hat weitreichende Konsequenzen für den kollektiven Rechtsschutz. Verbraucherschützer können zwar gegen unlautere Praktiken vorgehen, müssen jedoch darauf achten, dass die Rückzahlung von einbehaltenen Beträgen nicht Teil ihrer Ansprüche ist. Der BGH betont, dass dies im Einklang mit der Systematik des kollektiven Rechtsschutzes steht. Verbraucherverbände müssen nun die Unterstützung der Verbraucher einholen, um ihre Ansprüche erfolgreich durchzusetzen und können dabei auf die neu eingeführte Abhilfeklage zurückgreifen.
Die Abhilfeklage ist eine zivilrechtliche Verbandsklage einer berechtigten Stelle gegen einen Unternehmer. Sie ist mit dem Verbandsklagenrichtlinienumsetzungsgesetz mit Wirkung zum 13. Oktober 2023 in das deutsche Recht eingeführt worden. Die Abhilfeklage ist im Gesetz zur gebündelten Durchsetzung von Verbraucherrechten (Verbraucherrechtedurchsetzungsgesetz, VDuG) geregelt. Weiterhin dient sie der Umsetzung der Verbandsklagenrichtlinie (EU) 2020/1828.

BGH-Urteil: Grenzen des Rückzahlungsanspruchs bei unlauteren Praktiken
Der BGH hat in seiner Entscheidung klar gemacht, dass zwar unlautere Praktiken vorliegen, jedoch kein Anspruch auf Rückzahlung der einbehaltenen Payout Fee besteht. Der Verbraucherverband hat das Recht auf Unterlassung gemäß § 1 Unterlassungsklagengesetz (UKlaG), jedoch nicht auf Beseitigung der unrechtmäßig einbehaltenen Gelder. Auch aus § 8 Abs. 1 S. 1 Fall 1 i.V.m. §§ 3, 3a des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) und § 307 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) ergebe sich kein Beseitigungsanspruch.
Die Klausel in den AGB des Veranstalters wurde als unwirksam eingestuft, da die Rückerstattung der Restguthaben eine vertragliche Verpflichtung darstellt und nicht als zusätzliche Leistung betrachtet werden kann. Diese Klausel könnte Verbraucher davon abhalten, ihre Rückzahlungsansprüche geltend zu machen, was die Praxis als unlauter qualifiziert.
Trotz der Einführung der Abhilfeklage im Jahr 2023, die es Verbraucherverbänden ermöglicht, Ansprüche von Verbrauchern geltend zu machen, sieht der BGH einen verschuldensunabhängigen Beseitigungsanspruch als problematisch an. Dies könnte dazu führen, dass Unternehmer zur Rückzahlung von einbehaltenen Beträgen an eine Vielzahl von Verbrauchern verpflichtet werden, was dem Konzept des kollektiven Rechtsschutzes widerspricht.
Insgesamt zeigt das Urteil, dass Verbraucherschützer zwar gegen unlautere Geschäftspraktiken vorgehen können, jedoch die Rechte der Verbraucher im Rahmen einer Sammelklage geltend gemacht werden müssen, um erfolgreich zu sein.

BGH-Urteil: Grenzen des kollektiven Rechtsschutzes für Verbraucherverbände
Dr. Henner Schläfke von der Kanzlei Noerr bezeichnet die Entscheidung des BGH als wegweisend für den kollektiven Rechtsschutz. Er hebt hervor, dass Verbraucherverbände nicht einfach gegen Unternehmen klagen können, um rechtsgrundlos einbehaltene Geldbeträge zurückzufordern. Stattdessen müssen sich betroffene Verbraucher aktiv an den Klagen beteiligen oder andere Wege finden, um ihre Ansprüche geltend zu machen.
Jutta Gurkmann, Leiterin des Geschäftsbereichs Verbraucherpolitik beim vzbv, sieht trotz der Niederlage des Verbands vor Gericht einen positiven Aspekt in der Klarstellung der Richter, dass die Erhebung einer Payout Fee rechtswidrig ist. Sie betont, dass die Einführung der Abhilfeklage, die bei der Klageeinreichung noch nicht existierte, den Verbraucherverbänden ein starkes juristisches Instrument an die Hand gibt. 
Mit der Möglichkeit der Sammelklage kann der vzbv nun direkt Schadenersatz oder Rückerstattungen für viele Verbraucher gleichzeitig erwirken. Gurkmann kündigt an, dass der Verbraucherzentrale Bundesverband dieses Instrument weiterhin intensiv nutzen wird, um die Rechte der Verbraucher zu stärken und unlautere Praktiken zu bekämpfen.